Bad Pyrmont Trinkbrunnen
Bäderreise-Geschichte(n)

Bad Pyrmont im Bäder-Almanach 1901

Der Bäder-Almanach war “das” Handbuch für alle Bäderreisenden und auch für alle Ärzte, die ihre Patienten zu einer Kur schicken wollten. Hierin erfuhr man welche Therapien in den einzelnen Kurorten angeboten wurden, welche Ärzte vor Ort praktizierten, aber auch welche Hotels es gab, wie hoch die Kurtaxe war und natürlich auch welche Freizeitangebote das Heilbad zu bieten hatte. Der Bäder-Almanach wurde seit 1882 herausgegeben und wuchs im Laufe der Jahre immer weiter an, auch weil die Angaben der Bäder-Direktionen, die hierin enthalten waren, immer umfangreicher wurden. Für das Jahr 1901 umfasst der Einführungstext für Bad Pyrmont knappe drei Seiten, die hier auszugsweise wiedergegeben werden:

Bad Pyrmont Souvenirblatt 1881
Souvenirblatt Bad Pyrmont 1881 – gemeinfrei

Bad Pyrmont im Jahr 1901

Sommer-Residenz des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, Kreisstadt im NW. Deutschlands, unter 51° 59′ n. Br., 26° 23′ w. L., 120 m über dem Meeresspiegel; in schönem Rundthal belegen, von waldreichen Ausläufern des linksseitigen Weserberglandes und des Teutoburger Waldes umgeben, ist der Badeort wirksam gegen heftige Luftströmungen geschützt. Das Klima des Thales ist das des mittleren Deutschlands in seinen gebirgigen Theilen, die Luft ist rein, frisch und staubfrei; mittlere Sommertemperatur 15° Co, mittlere relative Luftfeuchtigkeit im Sommer 60,3; mittlerer Barometerstand 744 mm. Die sanitären Verhältnisse sind ausgezeichnet, Epidemien unbekannt. Gutes Trinkwasser aus neuer Wasserleitung. Kanalisation.
Kur- und Heilmittel: I. Eisensäuerlinge, II, Eisenmoorerde, III. Kochsalzsäuerlinge und Badesoolen.
I. Die drei hauptsächlich benutzten Quellen der Eisensäuerlinge sind: 1. die Hauptstahlquelle, 2. der Brodelbrunnen, 3, die Helenenquelle; dieselben enthalten nach Fresenius in 1000 Gewichtstheilen Wasser bei ,0037 spez. Gewic.ht und 12—12,70° C Temperatur.

Bäder-Almanach 1901 Analysewerte Heilquellen

Die Eisenquellen, schon zur Römerzeit bekannt, sind nachweislich Anfang des 14. Jahrhunderts zu Heilzwecken benutzt worden.
In dem Fürstlichen Stahlbadehaus werden in 75 Badezellen jährlich etwa 40 000 Stahlbäder abgegeben, Dampferwärmung (Schwarz’sche Methode). Der Brodelbrunnen dient ausschliesslich zu Badezwecken, die Hauptquelle und Helenenquelle gleichzeitig zu Trink- und Badekuren. Bäderpreise 1,70 bis 2,50 M.
II. Die Eisenmoorerde wird aus den unerschöpflichen Lagern in unmittelbarer Nähe der Stahlquellen gewonnen und ist den Mooren von Franzensbad und Marienbad völlig ebenbürtig; sie enthält nach den neuesten Analysen von Professor Kreusler-Bonn in verwittertem Zustande in 100 Gewichtstheilen Trockensubstanz über 8 pCt. wasserlösliche Mineralstoffe, darunter über 3 ½ pCt, schwefelsaure Eisensalze, über 1 pCt, schwefelsaure Thonerde, über ½ pCt. schwefelsaures Magnesia, über 1 ½ pCt. schwefelsauren Kalk und über 8 pCt. freie Schwefelsäure; an wasserlöslichen organischen Stoffen enthält sie über 2 pCt. Humussäure und etwa 1 pCt. Ammoniak, Ameisensäure, Gerbsäure. Als nicht direkt löslich berechnen sich neben anderen: Humussäure über 17 pCt., Humin 8 pCt., Eisenoxyd 3 ½ pCt., Schwefelsäure 4 ½ pCt„ Kalk 2 ½ pCt., Schwefel 1 ½ pCt.
Das Fürstliche Moorbadehaus, 1891 erbaut, hat in den letzten Jahren wegen der unerwartet günstigen Erfolge der Moorbäder und der dadurch immer steigenden Nachfrage nach diesen Bädern bereits zwei Mal erweitert werden müssen. Bäderpreise 2,50—3,50 M.
III. Die Kochsalzsäuerlinge und Badesoolen enthalten nach Professor Wiggers in 1000 Gewichtstheilen Wasser bei spez. Gewicht von 1,002 bis 1,028 und einer Temperatur von 10—15° C.:

Bäder-Almanach 1901 Bad Pyrmont Analysewerte Heilquellen

Das Fürstliche Soolbadehaus, durch Pferdebahn mit dem Kurort verbunden, giebt in 70 Zellen jährlich etwa 40 000 Bäder ab. Bäderpreise 1,60—1,80 M.
Ausser den Stahl-, Moor- und Soolbädern werden in den Fürstl. Badehäusern auch Douchen jeder Art, Dampfbäder, Mischbäder von Stahlwasser und Soole, sowie alle medizinischen Bäder abgegeben.
Molken, frische Kuh- und Ziegenmilch und fremde Mineralwässer bei der Hauptstahlquelle zu haben.


Beschreibung der Pyrmonter Gesundbrunnen 1717

Gute Gründe nach Pyrmont zu fahren

Heilanzeigen. Entsprechend der Fülle seiner theils anregenden und stärkenden, theils ableitenden, lösenden Kurmittel, deren verschiedene Wirkungen durch Mischung und Abwechselung miteinander überdies zweckdienlich sich ergänzen, weitet sich das Gebiet der Heilanzeigen Pyrmonts. Es werden erfolgreich behandelt:
a) sogen. Konstitutionskrankheiten : Allgemeinschwäche, zögernde Rekonvaleszenz, auch ohne eigentlichen Blutmangel, Blutarmuth, primäre (Bleichsucht, einfache Blutleere) wie sekundäre nach Blut- und Säfteverlusten, geistiger Ueberarbeitung, erschöpfenden Krankheiten, ohne oder auch mit zurückgebliebenen Lokalstörungen solcher (Malaria, Bright’sche Krankheit, Influenza etc.); von Stoffwechselstörungen: Gicht, Fettsucht, Rheumatismus, Skrophulose, Rachitis; sie erheischen je nach Symptomen und Stadien die Einwirkung der Kurmittel in obigem Sinne.
b) Nervenleiden: Reizbare Schwäche, Funktionsschwäche einzelner Organe (Neurasthenie), umgrenzte ausgeprägtere Nervenleiden: Hypochondrie, Hysterie, Neuralgie, Krämpfe, Lähmungen, Basedow- Krankheit mit ihren sehr verschiedenen Ursachen (Blutarmuth etc.)
c) Die chronischen Katarrhe der Verdauungsorgane vom Rachenkatarrh abwärts, Magen- und Darmkatarrh, selbständiger Natur oder in Folge venöser Stauung durch Leber- und Milzschwellungen, durch Fettsucht, Herzschwäche, Blutarmuth etc.; je nach Symptomen, Ursachen und Folgezuständen wechselt die Verwendung der Kurmittel auch hier; ähnlich bei den Katarrhen der Luftwege, deren Komplikationen, asthmatische Beschwerden z. B., besonders zu berücksichtigen sind.
d) Herzkrankheiten kommen von Jahr zu Jahr häufiger hier zur Behandlung – mit den auflösenden Kurmitteln, wo es gilt, Auflagerungen, Verdickungen (rheumatische) oder Stauungsprozesse zu beseitigen – mit Uebergang zu den tonisirenden, dem Stahlbad besonders, bei zurückbleibender Funktions- oder Ernährungsschwäche des Herzmuskels, bei Neurosen des Herzens, Blutarmuth.
e) Die sogenannten Frauenkrankheiten: bei funktionellen, ohne nachweisbare Lokalisirung auftretenden Blut- und Schleimflüssen, periodischen Störungen, Sterilität; Neigung zu Abort – wie bei den, solchen Erscheinungen noch öfter zu Grunde liegenden Erkrankungen der Geschlechtsorgane – steht Pyrmont auf Grund und im Sinne der erwähnten differenten Kurmethoden in seinen Erfolgen unerreicht da.
f) Hauterkrankungen liegen, nach den sie begründenden konstitutionellen oder funktionellen Störungen, vielfach in der Einflusssphäre des Pyrmonter Kurapparats.
Die Kurzeit beginnt Anfangs Mai und endet am 10, Oktober; sie versammelte im letzten Jahre 19000 Gäste in Pyrmont.
Aerzte: DDr. Seebohm I, Gruner, Weitz, Markus, Schücking, Hölscher, Seebohm II, Behm und Weber.

Brunnenplatz Bad Pyrmont
Brunnenplatz in Bad Pyrmont um 1900 – historische Postkarte

Die Kureinrichtungen – 1901

Die Kurangelegenheiten stehen unter Leitung des Fürstl. Brunnendirektors (Frhr. von Hundelshausen). – Kurtaxe für die Dauer der Saison für eine Person 16 M., für jedes weitere Familienmitglied 8 M.; Kinder unter 12 Jahren und Dienstboten (letztere, wenn in Begleitung ihrer Herrschaft) bleiben ausser Ansatz. Praktizirende Aerzte sind von Kurabgabe und Bädertaxe, deren Frauen und unselbständige Kinder von Kurabgabe befreit. Gesuche um Erlass oder Ermässigung der Kurabgabe und Bäderpreise sind unter eingehender Begründung an Fürstlich Waldeck’sche-Domainen Kammer zu Arolsen zu richten.
Wohnungs- und Verpflegungs-Verhältnisse sind die eines grossen Bades; Wohnungen sind in grosser Auswahl vorhanden und variiren im Preise nach Lage, Grösse, Ausstattung und Zeit. Gasthöfe: Grosses Badehotel, Lippe’scher Hof, Hotel zur Krone und Waldecker Hof. Restaurants: Im Fürstlichen Kurhaus (Rasmussen), Kaffehaus (Reusch), Giftbude (Vogt) und Knierim.
Kureinrichtungen: Das 1899 eröffnete neue Kurhaus, welches mit seinen Restaurations- und Gesellschaftsräumen, Lese- und Spielzimmern, Musiksalon und Konzert- und Tanzsälen den weitgehendsten modernen Anforderungen entspricht; die Fürstliche Kurkapelle (33 Musiker), welche Morgens, Nachmittags und Abends konzertirt; der durch seine prachtvollen Alleen bekannte ausgedehnte Kurpark mit mustergültigen Spielplätzen für Lawn-Tennis, Croquet u. s. w., Gelegenheit zur Ausübung der Jagd und Fischerei, Pferderennen, Künstlerkonzerte, Gartenfeste, Bälle, Feuerwerke, Theater u. s. w. Lohnende Ausflüge und Spaziergänge in die waldreiche nähere Umgebung oder weiter in das Wesergebirge (Hameln- Polle etc.), Teutoburgerwald (Hermannsdenkmal, Externsteine Detmold etc.).
Reiseverbindungen. Als Station der Hannover-Altenbekener Bahn und Haltestelle der D-Züge Berlin-Hildesheim-Köln-Paris ist Pyrmont von allen Seiten leicht und schnell zu erreichen (Hannover 2, Kassel 3, Köln 4, Berlin, Bremen und Leipzig 5, Hamburg 6, Frankfurt a. M. 7, Haag, Amsterdam 8, Paris 13, London 18 Stunden).
Nähere Auskunft durch                                                                                         Fürstliche Brunnendirektion.

Bäder-Almanach. Mittheilungen der Bäder, Luftkurorte und Heilanstalten in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz und den angrenzenden Gebieten für Aerzte und Heilbedürftige, 8. Aufl. Berlin 1901, S. 417-419.

Beitragsbild:
Trinkbrunnen von Bad Pyrmont um 1900 – gemeinfrei

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert